Zwischen Klischee und Wirklichkeit – Wie Frank Goldammer die Wende literarisch aufarbeitet
Wie verarbeitet man Geschichte in der Literatur und wie vermeidet man dabei Klischees? Bestsellerautor Frank Goldammer sprach im Rahmen des Bookerfly Umsetzungskongresses mit uns über seine neue Buchreihe zur Wendezeit, wie viel Erinnerung darin steckt, wie er recherchiert hat und warum es immer noch Spannungen zwischen Ost und West gibt.
„Ein gutes Buch erzählt mehr als eine Geschichte. Es ruft Erinnerungen wach und schafft Verständnis.“
Erinnerungen als Romanrohstoff: Wie alles begann
Frank Goldammer war 14 Jahre alt, als die Mauer fiel. Alt genug, um sich an viele Dinge zu erinnern, jung genug, um sie später neu zu entdecken. Beim Schreiben seines neuen Romans „Im Schatten der Wende“ kehrte vieles zurück: Gespräche mit den Eltern, persönliche Eindrücke und vor allem der gesellschaftliche Umbruch, der damals in voller Wucht auf Ostdeutschland traf.
Was ihn besonders reizte? Die vielen individuellen Perspektiven, das Gefühl von Aufbruch und Enttäuschung. Und: das Bedürfnis, genau darüber zu schreiben.
Zwischen Euphorie und Ernüchterung: Der Osten nach dem Mauerfall
Frank sagte es ganz offen: „Viele Menschen waren euphorisch und viele wurden bitter enttäuscht.“
Der Fall der Mauer war nicht für alle ein Neuanfang mit Happy End. Manche verloren ihre Jobs, ganze Lebensmodelle wurden zerschlagen. Das habe Spuren hinterlassen und erklärt vielleicht, warum es bis heute eine gewisse Distanz oder Unzufriedenheit in Teilen Ostdeutschlands gibt.
„Ich schreibe Unterhaltungsromane, aber mit dem Wunsch, Verständnis zu wecken. Für das, was damals wirklich passiert ist.“
Klischees als literarische Gratwanderung
Eine der größten Herausforderungen beim Schreiben? Den schmalen Grat zwischen Authentizität und Klischee zu meistern.
Ein Beispiel aus dem Roman: Eine westdeutsche Kommissarin kommt mit einem Obstkorb ins Büro ihrer ostdeutschen Kollegen. Gut gemeint, aber total unpassend. „Das ist passiert“, erzählte Frank. Genau wie die naiven Fragen über die Stasi-Vergangenheit oder die falschen Vorstellungen auf beiden Seiten.
Was machte er daraus? Keine Schwarz-Weiß-Zeichnung, sondern Dialoge, die zum Nachdenken anregen und zum Schmunzeln.
Recherche aus erster Hand: Polizei, Alltag und Kriminalität der Wendejahre
Für seinen Roman sprach Goldammer mit Kriminalpolizisten, die selbst während der Wende im Dienst waren. Die Erkenntnis: Viele waren schlicht überfordert mit dem plötzlichen Anstieg an Kriminalität. Nicht, weil „der Westen krimineller war“, sondern weil neue Freiheiten auch neue Grauzonen eröffneten vom Einbruch bis zum Rotlichtmilieu.
Auch strukturell war vieles im Umbruch: neue Gesetze, neue Vorgesetzte, neue Unsicherheit. Daraus webte Goldammer seine Geschichten: historisch fundiert, aber immer literarisch verdichtet.
Literatur als Brücke zwischen Ost und West
Mit seiner Wende-Reihe verfolgt Frank Goldammer ein doppeltes Ziel:
- Westdeutschen Leser:innen die Realität im Osten damals näherzubringen.
- Ostdeutschen Leser:innen das Gefühl zu geben, dass ihre Geschichte erzählt wird und wichtig ist.
„Ich will die Erinnerungen wachrufen, die Erlebnisse einfangen und damit vielleicht auch ein bisschen Verständigung schaffen.“
Wenn Literatur die Vergangenheit spürbar macht
Frank Goldammer beweist eindrucksvoll, dass historische Romane mehr können als nur unterhalten. Sie helfen zu verstehen, was war und warum vieles heute noch nachwirkt. Wer sich mit der deutschen Geschichte der Wendejahre befassen möchte, findet in seinen Büchern nicht nur Spannung, sondern Tiefe.
„Gute Geschichten erinnern uns daran, dass Vergangenheit nie nur vergangen ist.“
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